Das Original

Der Leichte Kreuzer HMS Belfast ist das letzte erhaltene britische Großkampfschiff des Zweiten Weltkriegs. In Dienst gestellt im August 1939, wurde die Belfast im November des gleichen Jahres im Firth of Forth durch eine Magnetmine schwer beschädigt. Ihre ausgesprochen umfassende Rekonstruktion dauerte volle drei Jahre, so dass sie erst Ende 1942 wieder zur Flotte treten konnte. Bis zum Sommer 1944 war sie in europäischen Gewässern eingesetzt, unter anderem war sie an der Versenkung der Scharnhorst und der Invasion in der Normandie beteiligt.

Nach einer umfassenden Überholung wurde sie im Juni 1945 Richtung Pazifik in Marsch gesetzt, erreichte das Kampfgebiet aber erst kurz vor der japanischen Kapitulation. Sie wurde in den folgenden Jahren hauptsächlich im Fernen Osten eingesetzt und diente auch im Koreakrieg. Zwischen 1955 und 1959 wurde sie ein letztes Mal tiefgreifend modernisiert und erhielt ihr heutiges Erscheinungsbild. Ihre aktive Dienstzeit endete bereits 1963. Nach einigen Jahren in Reserve wurde die Entscheidung getroffen, sie als Museumsschiff zu erhalten und 1971 wurde sie an ihren jetzigen Liegeplatz direkt stromaufwärts der Tower Bridge geschleppt. Heute ist sie eine Außenstelle des Imperial War Museums und eine wichtige Londoner Sehenswürdigkeit.

Der Bausatz

Kurz nach seinem Erscheinen 1973 baute ich dieses Modell zum ersten Mal. Es war ein Geschenk meines Großvaters und ich Dreizehnjähriger baute aus dem Kasten, pinselte Airfix-Emailfarben darauf und war glücklich.

Ich merkte damals schon, dass dieser Bausatz im Vergleich zu anderen aus der Serie eher anspruchsvoll war. Er hatte sehr viele, teils sehr kleine Einzelteile und es war wichtig, auf die Bauanleitung zu achten. Das war sicherlich kein Kinderspielzeug. Ich hatte damals fast alle Schiffsbausätze der Firma im Maßstab 1/600, bis – nun ja, bis ich älter wurde, andere Interessen hatte und sie alle irgendwann in der Mülltonne landeten.

Einige Jahrzehnte später begann ich wieder mit dem Hobby, zuerst mit Flugzeugen. Ich lernte die ModellFan und das Internet kennen und fand mich langsam in die neuen Möglichkeiten ein, die sich zwischenzeitlich eröffnet hatten. Angeleitet durch einen Freund, begann ich eine Airbrush zu nutzen, ich verarbeitete die ersten Ätzteile und stieg in das Thema Alterung und Charakterisierung von Modellen ein.

Ein Bausatz aus der Sonderangebotstonne des Modellbauladens um die Ecke brachte mich 2003 wieder zum Bau von Schiffsmodellen. Über Begegnungen auf Ausstellungen und das Internet kam ich in Kontakt mit anderen Schiffsmodellbauern und den Machern der ModellFan, und seit 2006 bin ich dort wie hier als Autor aktiv. Seitdem habe ich das eine oder andere Schiffsmodell verschiedenster Hersteller gebaut, aus alten und neuen Formen, aus Spritzguss und Resin, aber ein grundlegendes Thema kehrt immer wieder. Ich möchte versuchen, mit meinen heutigen Möglichkeiten Bausätzen von früher gerecht zu werden und schauen, was sich aus ihnen herausholen lässt. Ein englischer Freund hat mein Motto als „Give old kits a chance“ bezeichnet.

Der Bau des Modells - Gib alten Kits ihre Chance

So hatte ich auch schon vor einigen Jahren einen Bausatz der HMS Belfast und den dazugehörigen Ätzteilsatz des britischen Kleinserienherstellers WEM erstanden, mit der Absicht, diesen irgendwann verfeinert zu bauen. Als Referenzmaterial hatte ich mir den entsprechenden Band aus der Reihe Anatomy of the Ship zugelegt, neben diversen anderen Büchern zum Thema Royal Navy. Besonders wichtig waren hier die vier Hefte von Alan Raven aus der Reihe Warship Perspectives über britische Tarnanstriche des Zweiten Weltkriegs.

Und wirklich nicht zuletzt freute und freue ich mich, einige gute und sehr hilfsbereite Freunde zu haben, mit denen ich Fragen und Probleme besprechen kann. Auch und gerade im Zeitalter des Internets geht nichts über richtige Menschen und richtige Freunde.

Mit dem Erscheinen des 1/350er Bausatzes der Belfast von Trumpeter und den lebhaften Diskussionen über dessen Vorbildtreue war es ein passender Moment, den alten Bausatz heraus zu holen und ihn zu bauen. Ich merkte rasch, dass die Entwickler von Airfix mit ihren damaligen Möglichkeiten gute Arbeit geleistet hatten. Natürlich war die Technik des Formenbaus und der Spritzgussherstellung seinerzeit noch deutlich weniger weit entwickelt, so dass im Vergleich zu modernen Produkten hier gröbere, dickere und weniger scharf definierte Formen dominieren.

Mir fiel jedoch auf, dass bestimmte Fehler des neuen Bausatzes hier nicht gemacht worden waren. So ist der markante Windabweiser an der Brücke vergröbert, aber im Prinzip korrekt wiedergegeben, und auch die dichtgesetzte hintere Ankerklüse an steuerbord stimmt. Auch wurden keine Einzelheiten des Museumsschiffs fälschlich in das Modell mit dem Bauzustand von 1943 eingefügt.

Vor dem Baubeginn schloss ich mich mit meinem Freund Burkhardt Masch kurz; obwohl er wegen sehr starker Arbeitsüberlastung seine Firma BMK nicht weiterbetreiben kann, erklärte er sich bereit, mir noch einen Satz Messingrohre für die Hauptartillerie zu drehen – vielen Dank dafür! Während die Rohre erstellt wurden, baute ich schon den Rumpf zusammen. Wo durch den Ätzteilsatz Bausatzteile ersetzt wurden, verschloss ich die Ansatzstellen mit Polystyrolprofilen. Wo sinnvoll und gut sichtbar, benutzte ich Fräsen, um Schanzkleider etwas auszudünnen. Auch die Basis für das Modell wurde jetzt schon hergestellt, mit dem Ziel, erst das komplett fertige Modell in sie einzulassen.

Beim weiteren Bau der Belfast ging ich vor wie bei mir üblich. Ich erstellte möglichst viele Baugruppen, die getrennt vom Modell vorbereitet und bemalt wurden. Stets galt es zu entscheiden, wie viel vom Grundbausatz ich verändern wollte, um ein möglichst durchgängiges Niveau in der Detaillierung zu erzielen.

Meine Belfast trägt kein Bordflugzeug; ihre Walrus-Wasserflugzeuge wurden wenige Monate nach der Wieder-Indienststellung von Bord gegeben, das Katapult jedoch vorerst belassen. Somit enstpricht der Bauzustand dem zwischen Juni 1943 und Juli 1944.

Eine Herausforderung war diesmal sicherlich das komplexe Tarnschema des Schiffes. Hier zeigte sich wieder, welcher Teufel im Detail stecken kann.

Zwar existiert das echte Schiff noch, und es ist sogar im Tarnmuster gestrichen, aber leider entsprechen weder die verwendeten Farbtöne noch das Tarnschema den Fotos aus der Kriegszeit oder den Referenzmaterialien. Ich beschloss, die Angaben von Alan Raven in Warship Perspectives als Grundlage meines Anstrichs zu nehmen. Hier fanden sich neben Seitenansichten auch Informationen über die Farbgebung der Stirnseiten der Türme sowie der Hangartore. Auch die knifflige Frage nach der Farbe der Holzdecks wurde hier beantwortet. Raven gab hierzu an, dass die Holzdecks dunkelgrau überstrichen waren und dass die Bereiche unter den Rohren der schweren Türme weiß gestrichen waren.

Nun gibt es zwar sogar die passenden Royal Navy-Farbtöne als Colourcoats von White Ensign Models, aber ich benutze Acrylfarben, und in diesem Medium gibt es noch keinen Hersteller, der die entsprechenden Farbtöne produzieren würde.

So lief es darauf hinaus, unter Zuhilfenahme von Farbtabellen, alten Fotos und in langen Diskussionen mit meinem Freund Christian Bruer stimmige Äquivalente zu finden. Farben wurden ausprobiert, gemischt und wieder verworfen. Auch Heinz Wagner von www.modellbaufarben.de wurde konsultiert und gab mir hilfreiche Tipps.

Christian und ich saßen vor unseren Computern und Büchern, diskutierten praktisch jeden Farbverlauf und kamen schließlich jeder für sich zu Entscheidungen. Christian wird in absehbarer Zeit seine Interpretation des neuen Trumpeter-Bausatzes der Belfast vorstellen, mit allem, was ihm aus dem aktuellen Zubehörmarkt sinnvoll erschien, und mit etwas anderen Farben, als ich sie gewählt habe. Ich bin mir sicher, dass dieses Modell ein absoluter Hingucker wird und freue mich sehr darauf. Zudem bin ich mir sicher, dass beide Modelle auf ihre individuelle Art stimmig aussehen werden, wenn man sie auf einer Ausstellung neben einander sehen wird.

Die einzelnen Ebenen der Aufbauten wurden Schritt für Schritt abgeklebt und mit den entsprechenden Farbtönen gespritzt, bis Rumpf und Aufbauten im Rohbau fertig gebaut und bemalt waren. Nun konnten Schritt für Schritt die Decks angeklebt und die vorbereiteten Baugruppen hinzugefügt werden. Ich bemühe mich immer, dabei von der Rumpfmitte zu den Seiten und nach vorn und achtern zu arbeiten, um Beschädigungen zu vermeiden. So hatte ich irgendwann in der Mitte des Schiffes alles verbaut, ich hatte die Besatzungsfiguren hinzugefügt, ich hatte die aus Messing neu gebauten Masten gesetzt und ich konnte das Schiff mit dem ultrafeinen Caenis-Garn der Firma UNI aus dem Anglerbedarf takeln. Die fotogeätzten Figuren der Firma Lion Roar verwende ich schon seit Jahren, bei diesem Projekt folgte ich dem Beispiel eines Modellbaukollegen und machte die flachen Gestalten mittels winziger Tropfen Sekundenklebers und Backpulver etwas dreidimensionaler. Das klappte nicht bei allen Figuren, aber doch bei genug, dass es mir genügte.

Ich bin kein Nietenzähler und ich messe meine Bausätze seltenst nach. Solange es für mich stimmig aussieht, ist es gut für mich. Aber auch ich stoße mich hier und da an Ungereimtheiten. In diesem Fall ging es um meine ungeliebtesten Ätzteile, die rahmenförmigen Radarantennen des Typs 281, die seinerzeit fast alle britischen Schiffe (leider) an den Masttoppen trugen. Die Ätzteile sind schwer zu verarbeiten und auszurichten, und sobald eingebaut, immer haarscharf davor, zu einem äußerst unangenehmen Kollateralschaden zu werden.

Leider musste ich mir beim Studium meiner Vorbildfotos eingestehen, dass die Teile von WEM deutlich zu groß geraten waren. In den AOTS-Plänen im Maßstab 1/200 war der Rahmen fünfzehn Millimeter breit, so dass er in 1/600 fünf Millimeter Breite haben müsste. Leider sind die WEM-Teile acht Millimeter breit und damit deutlich überdimensioniert. Ich verfiel darauf, als Ersatz nach Ätzteilen im Maßstab 1/700 zu suchen. Hier half mir mein Freund Guido Hopp mit einer Platine von Lion Roar aus, die alle relevanten britischen Radarantennen enthält. Leider waren diese Teile noch erheblich kniffliger zu verarbeiten und brachten mich an meine Grenzen. Irgendwie bekam ich sie jedoch gebaut und schwor mir, sie erst ganz zum Schluss anzubauen, dann meine Fotos zu machen und sofort danach und für ewig den Deckel des Schaukastens über dem Modell zu schließen.

So kam es dann auch. Wie bei jedem Projekt gab es auch hier eine Phase des gefühlten Stillstands, die schleichend in eine immer zügigere Endphase überging. Ein langes Wochenende mit wenig begeisterndem Wetter sah mich immer wieder in den Bastelkeller verschwinden und Zug um Zug die letzten Relings anbringen, den Anstrich versäubern und schließlich die Radarantennen des Schreckens anbringen, bevor ich das Projekt für beendet erklären konnte.

Was mir während dieses Projekts wieder einmal klar geworden ist, ist dass jeder von uns die Wiedergabe eines Vorbilds im Modell für sich selbst interpretiert und nach seinen Maßstäben, Fähigkeiten und seinem Verständnis von Ästhetik umsetzt. Und das ist auch gut so. Die besten Modellbaukollegen, die ich kenne, haben alle ihre eigene Handschrift und ihre Ansprüche. Keiner von ihnen wird jedoch meinen, dass alle anderen genau die selbe Sichtweise haben müssen, um vor ihrem Auge Gnade zu finden. Dafür ist es das Hobby jedes Einzelnen, und letztendlich ist es dazu da, um uns Spaß und Freude und Zufriedenheit zu bereiten. Alle drei sind in unseren Zeiten eher dünn gesät, und ich für mein Teil begrüße alles, was mir als Ausgleich zum Beruf und dem, was mich privat bewegt und belastet, Freude bereitet.

Verwendete Materialien

Bausatz: 07141 Maßstab 1:600 Hersteller Airfix Preis ca. 20,– €

Zusätzlich verwendete Materialien: Ätzteilsatz von WEM, Nr. PE 615, ca. 35,-€ , gedrehte 15,2 - cm - Rohre als Einzelanfertigung, Ätzteile für britische Radargeräte Lion Roar 700 155 (ca. 12,-€), UNI Caenis 20 den Takelgarn.

Farben: Für das Tarnschema Vallejo ModelAir aufgehelltes Light Grey 50 (AP 507C), Model Air German Grey 52 (AP 507 A) und Model Air 08 RLM 65 (B 6), Xtracrylix PRU Blue (B 5)

Frank Spahr