120 Jahre Venezuela-Krise

 


Vor 120 Jahren blockierten deutsche Schiffe zusammen mit britischen und italienischen Schiffen Venezuela, um dieses dazu zu zwingen Schulden zurück zu zahlen (siehe Jahrestage auf Modellmarine). Das deutsche Flaggschiff war der Geschützte Kreuzer (Große Kreuzer) SMS Vineta. Dieser bombardierte zwei Mal venezuelanische Forts, wobei der zweite Einsatz bewirkte, dass die US-Regierung mit politischen Druck reagierte, um die Ende der Intervention der europäischen Großmächte zu erreichen. Am 13. Februar 1903 wurde ein politisches Übereinkommen erzielt, worauf die Blockade am 15. Februar aufgehoben wurde.

 Das Original

Der deutsche Geschützte Kreuzer, klassifiziert als Großer Kreuzer, SMS Vineta war eines von fünf 1896-99 gebauten Schiffen der Victoria Louise-Klasse. Diese Klasse war ursprünglich Teil eines Plans für eine Kreuzermarine, die aus einer Mischung von größeren Geschützten Kreuzern (Kreuzern II. Klasse) und kleineren Ungeschützten Kreuzern (Kreuzern IV. Klasse) bestehen sollte. Die Victoria Louise-Klasse waren als die größeren dieser Kreuzer vorgesehen, sie waren hauptsächlich für den Einsatz in Übersee gedacht.

Die Victoria Louise-Klasse war kleiner als der davor gebaute Kreuzer II. Klasse, die Kaiserin Augusta, erhielt aber schwerere Artillerie in der Form von 21-cm-Geschützen. Es blieb aber dann nur noch Platz für schwächere Maschinen, so dass die Geschwindigkeit geringer ausfiel. Auf den fünf Schiffen der Klasse - Victoria Louise, Hertha, Freya, Vineta und Hansa - wurden verschiedene Kessel getestet. Von diesen bewährten sich die meisten nicht, insbesondere die der Freya und Hansa waren störanfällig. Bei der Klasse wurde auch das typische Aussehen eingeführt, das auch bei den späteren deutschen Panzerkreuzern beibehalten wurde: hoher Freibord, ein kombinierter Ramm- und Klipperbug und die Aufstellung eines Teils der Mittelartillerie in Türmen. Der hohe Freibord verlieh den Schiffen eine relativ gute Seetüchtigkeit, aber machten sie in Kombination mit dem relativ hohen Brückenaufbau auch anfällig für Seitenwind. Obwohl die Klasse für den Einsatz in den Tropen gedacht war, erwiesen sich die Schiffe als schlecht gelüftet und als zu heiß, was durch diverse Modifikationen nur teilweise gelöst wurde. Die Reichweite war auch für Einsätze in Übersee nicht optimal.


Während des Baus der Klasse setzte sich in der Kaiserliche Marine die Verfechter einer Marine, die als Kernstück eine Schlachtflotte haben sollte, mit Tirpitz als Staatssekretär im Reichsmarineamt durch. Die Klasse verlor somit ihre Darseinsberechtigung und es blieb bei fünf Schiffen (ursprünglich waren bis zu 30 Kreuzer II. Klasse geplant). Für den Einsatz als Aufklärer für die Schlachtflotte waren die Victoria Louise-Klasse zu langsam, sie hatte kaum einen Geschwindigkeitsvorteil gegenüber Schlachtschiffen. Außerdem kamen damals die Panzerkreuzer auf, die gegen die Schnellfeuergeschütze besser durch einen Seitenpanzer und nicht nur durch ein Panzerdeck wie bei der Victoria Louise-Klasse geschützt waren. Der Ruf der Klasse war nicht gut. Sie sollen von der Royal Navy als "10 Minuten-Kreuzer" bezeichnet worden sein, also Schiffe, die nach nur zehn Gefechtsminuten ausgeschaltet worden wären. Die fünf Schiffe wurden deshalb, wie auch ursprünglich geplant, nicht mit den Aufklärungsstreitkräften für die Schlachtflotte, sondern überwiegend in den Kolonien eingesetzt.

Die Klasse wurde mehrfach umgebaut. Bei einigen Schiffen wurden schon relativ früh die Brücke in ihrer Größe reduziert und die 8,8-cm-Geschütze vom Brückendeck in Schwalbennester in der Back verlegt. Alle fünf Schiffe wurden zwischen 1905 und 1913 stark umgebaut, um danach als Schulschiffe zu dienen. Hier kamen erhielten sie neue Kessel und noch nur zwei Schornsteine. Die Brücke wurde modifiziert, der schwere Gefechtsfockmast durch einen leichten Pfahlmast ersetzt und spätestens bei diesem Umbau wurden bei allen Schiffen die 8,8-cm-Geschütze von der Brücke in die Back verlegt. Die achteren beiden 15-cm-Geschütze wurden entfernt, so dass mehr Platz im Achterschiff als Wohnraum vorhanden war. Die fünf Kreuzer waren so besser als Schulschiffe geeignet, wofür sie bis zum Ersten Weltkrieg dann primär verwendet wurden. Alle fünf Schiffe wurden zwar anfangs für den Ersten Weltkrieg mobilisiert, aber dann noch 1914 außer Dienst gestellt und als Wohnschiffe verwendet - nur Freya diente wieder als Schulschiff. Nach dem Krieg wurden alle bis auf Victoria Louise verschrottet - letztere diente noch kurzzeitig als Frachter Flora Sommerfeld.


Vineta war 110,5 m lang, 17,6 m breit und verdrängte 6705 t. Der Antrieb bestand aus zwölf Kesseln und drei Verbunddampfmaschinen, die zusammen 10.646 PS leisteten, womit 19,6 kn erreicht wurden. Die Besatzung bestand aus 477 Mann.

Bewaffnung
2 x 21 cm L/40 Geschütze (zwei Einzeltürme)
8 x 15 cm L/40 Geschütze (vier Einzeltürme, vier in Kasematten)
10 x 8,8 cm L/30 Geschütze (sechs Einzellafetten, vier in Kasematten)
10 x 3,7 cm Revolverkanonen (Einzellafetten)
3 x 45 cm Torpedorohre (unter Wasser, eines am Bug, zwei seitlich)


Vineta wurde 1896-99 von der Kaiserlichen Werft in Danzig gebaut. Nach der Erprobung wurde sie 1900 zur Ostamerikanischen Station verlegt. 1902 wurde sie Flaggschiff der deutschen Blockadeflotte in der Venezuela-Krise, zu der auch noch der Geschützte Kreuzer SMS Gazelle, der Ungeschützte Kreuzer SMS Falke, das Kanonenboot SMS Panther sowie die Korvetten (Schulschiffe) SMS Stein und SMS Charlotte gehörte. Diese Schiffe wurden zur Ostamerikanischen Kreuzerdivision zusammen gefasst. Am 13. Dezember griff Vineta zusammen mit dem britischen Geschützten Kreuzer HMS Charybdis zwei Forts in Puerto Cabello an, um den von Venezuela besetzten britischen Frachter Topaze zu befreien. Der Beschuss war relativ unwirksam, worauf die Forts von Ladungstruppen gestürmt wurden. Am 21. Januar 1903 griff sie das Fort San Carlos bei Maracaibo an. Dieser Angriff drehte die Stimmung in den USA und Großbritannien gegen die Blockade und damit den Druck auf eine politische Lösung.

Vineta blieb nach der Blockade weiter auf der Ostamerikanische Station bis sie im Oktober 1904 nach Deutsch-Südwestafrika verlegt wurde, um die Niederschlagung des Aufstands der Herero und Nama zu unterstützen - die Aufstandsbekämpfung unter Lothar von Trotha gipfelte in dem ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Vineta sollte Waffenlieferungen an die Herero verhindern. Sie versuchte im November auch erfolglos den aufgelaufenen Truppentransporter Gertrud Woermann zu bergen. 1905 wurde sie zurück nach Deutschland beordert. Dort wurde sie als Torpedoversuchsschiff verwendet. 1909-11 wurde sie von der Kaiserlichen Werft Danzig modernisiert. Sie diente danach als Schulschiff. 1912 diente sie während des Ersten Balkankriegs im Mittelmeer und wurde dort Teil der Mittelmeerdivision. 1914 wurde sie in Karibik eingesetzt, war bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wieder in Deutschland. Sie kam zur V. Aufklärungsgruppe in der Ostsee, die erst zum Vorpostendienst und danach als Schulgeschwader diente. Aber schon im November wurde dieses ausgelöst und Vineta wurde außer Dienst gestellt. Sie diente danach in Kiel als Wohnschiff. 1919 wurde sie aus der Marineliste gestrichen und 1920 nach Hamburg zum Abwracken verkauft.

Das Modell

Das Modell des Geschützten Kreuzers (Großen Kreuzers) SMS Vineta habe ich aus dem Bausatz der Victoria Louise von Kombrig gebaut. Der Bausatz stellt Victoria Louise im frühen Bauzustand dar. Der Bausatz besteht aus sehr gut gegossenen und detaillierten Resinteilen sowie einer recht umfangreichen Fotoätzteilplatine. Die Anleitung ist auch relativ detailliert, aber manchmal nicht leicht zu verstehen, da die einzelnen Teile erst mit Nummern versehen etwas über den anderen Teilen dargestellt sind und dann auf einer zweiten Ansicht auf ihrer Position (ohne Nummern) gezeigt werden. Das erfordert teilweise ziemliches Suchen, um die Position bzw. die Nummer eines Teils zu bestimmen.

Ich entschied mich aus verschiedenen Gründe nicht für Victoria Louise, sondern für Vineta. Eines der Gründe war, dass Victoria Louise wahrscheinlich nicht in diesem Bauzustand mit einem Tropenanstrich bemalt war - das einzige Foto mit Tropenanstrich, das ich mit der Beschriftung Victoria Louise kenne und das in Deutsche Große Kreuzer und Panzerkreuzer enthalten ist, zeigt tatsächlich ein Schwesterschiff (Vineta oder Freya). Der zweite Grund war, dass Vineta zu der kleinen Sammlung aus der Zeit der Venezuela-Krise passt.

Die beiden Schiffe ähnelten sich relativ stark. Ich musste also nicht viel ändern:

  • Vier statt drei Fenster vorne im Steuerhaus
  • andere Anordnung der Dampfrohre um die Schornsteine
  • andere Anordnung der Rahe
  • andere Positionen der Lüfter
  • kein Dach über der Scheinwerferplattform auf dem Fockmast
  • zusätzliche Scheinwerferplattform auf dem achteren Kommandostand
  • kein Dach über der Heckgalerie
  • zwei A-förmige Flöße zur Zieldarstellung seitlich am Rumpf vor den vorderen 15-cm-Türmen
  • Bootsspieren neben diesen Flößen

Wer genauer sucht, findet sicher weitere Unterschiede, z.B. bei der Anordnung und Formen der Lüfter, den Positionen der Bullaugen und natürlich der Bug- und Heckzier. Hier ist übrigens interessant, dass nur Victoria Louise ein Namensschild an der Back über der Bugzier hatte, die Schwesterschiffe hatten einen Namensschild achtern an den Rumpfseiten.

Die Masten muss man aus Metallstäben selbst bauen. Kombrig gibt in der Anleitung die Abmessungen an, zumindest die Länge, hat aber teilweise den Durchmesser vergessen. Auch fehlen im Bausatz die Ankerketten, die ich aus übrigen Ankerketten aus dem Gazelle-Bausatz von Kombrig ergänzte. Die beiden Jollen achtern neben dem 21-cm-Turm lies ich weg, da diese auf See und im gefechtsklaren Zustand hier nicht vorhanden waren (wurden im Hafen gelassen?).

Die Details der Bemalung sind teilweise schwer auszumachen, insbesondere mittschiffs. Hier orientierte ich mich an diversen Fotos, auch Fotos von Schwesterschiffen. Ich verwendete wieder Farben von Vallejo Model Color: 4 (820) Cremeweiß für den Rumpf und die Beiboote, 121 (913) Ockergelb für Aufbauten, Schornsteine und Masten, 110 (986) Achatgrau für das mit Holz beplankte Deck mittschiffs sowie 35 (859) Schwarzrot für die meisten anderen Decks. Lediglich im Bereich der Anker bemalte ich die Decks mit 167 Anthrazitgrau. Die Kapitänsgig wurde teilweise mit 57 (963) Enzianblau bemalt, die anderen Boote erhielten einige Details mit 139 (846) Mahagonibraun. Für den Zierstreifen am Rumpf benutzte ich 0,25 mm dicke rote Abziehbilderstreifen von Interdecal.

Links Vineta mit einem der anderen deutschen Kreuzer, der 1902/03 für die Blockade Venezuelas eingesetzt wurde: der Geschützte Kreuzer (Kleine Kreuzer) SMS Gazelle (1898). Man sieht gut, dass sich die damaligen Kleinen und Großen Kreuzer von der Länge kaum unterschieden, sehr wohl aber in Bezug auf die Verdrängung. Rechts mit einem Geschützen Kreuzer, der von der Konzeption etwas der Victoria Louise-Klasse ähnelte, USS Olympia (1895).


Hier Vergleiche, um zu zeigen, wie klein damalige "Große Kreuzer" waren: links mit dem deutschen Zerstörer Bayern (1965) und rechts mit der französischen Fregatte Provence (2016).


Vielen Dank an Klaus Lingenauber für die vielen Hinweise zu Details der Victoria Luise-Klasse und den Hinweisen zur Bemalung!

Quellen

  • Deutsche Große Kreuzer und Panzerkreuzer von Zvonimir Freivogel, Zagreb, 2022 (Buchbesprechung)
  • The Kaisers Battlefleet von Aidan Dodson, Barnsley, 2016
  • SMS Vineta (1897) (Wikipedia)
  • Victoria-Louise-Klasse (Wikipedia)
  • Alte deutsche Panzerkreuzer. Marine-Arsenal Sonderheft 10 von Siegfried Breyer, Wölfersheim-Berstadt, 1995
  • Die Großen Kreuzer Kaiserin Augusta bis Blücher von Gerhard Koop und Klaus-Peter Schmolcke, Bonn, 2002
  • Vom Original zum Modell: Große Kreuzer Kaiserin Augusta bis Blücher von Gerhard Koop und Klaus-Peter Schmolcke, Bonn, 2002
  • Naval History and Heritage Command (Fotos, dort nach "Vineta" gesucht)
  • Die deutschen Kriegsschiffe 1815-1945, Band 1 von Erich Gröner, München, 1966
  • Die deutschen Kriegsschiffe. Biographien von Hans H. Hildebrandt, Albert Röhr und Hans-Otto Steinmetz, Hamburg, 1980?
  • Conway’s All the world’s fighting ships 1860-1905 von Robert Gardiner (Herausgeber), London, 1979
  • Die preußisch-deutsche Marine in Lateinamerika 1866-1914. Eine Studie deutscher Kanonenbootpolitik von Gerhard Wiechmann, Bremen, 2002


Lars