Deckelbild

Modell: Scientific Deep Sea Drilling Vessel Chikyu
Hersteller: Bandai
Maßstab: 1/700
Material: Polystyrol, Abziehbilder, Aufkleber
Art.Nr.: 0178384-8700
Preis: 40 - 80 €

Das Original

Das Bohrschiff Chikyu wurde speziell für die Grundlagenforschung (und nicht für die Suche nach Öl) gebaut. Sie wird vom japanischen Centre for Deep Earth Research, einem Teil der Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC), in Kooperation mit Wissenschaftlern aus Amerika, Asien und Europa als Teil des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) betrieben. In diesem Programm werden neben der Chikyu noch das Bohrschiff JOIDES Resolution sowie spezielle Schiffe für einzelne Expeditionen, wie z.B. der Eisbrecher Vidar Viking während der Bohrungen in der Arktis während der Arctic Coring Expedition 2004, eingesetzt. Die Aufgabe der Bohrschiffe ist es, Gesteinsproben aus großen Tiefen unterhalb des Meeresbodens zu gewinnen. Diese werden dazu genutzt, u.a. die Geschichte der tektonischen Platten und des Klimas zu erforschen. Dazu wird nach Lebensformen in großen Tiefen gesucht.

Chikyu ist etwas kleiner als die letzte Generation der für die Suche nach Öl gebauten Bohrschiffe. Sie ist dafür ausgelegt, in Meerestiefen bis zu 2500 m zu bohren. Das Bohrgestänge kann bis zu 10 000 m lang sein. Das Bohrgestänge ist ummantelt, so dass das der Abraum mittels künstlichen Schlamms nach oben zum Schiff gepumpt wird (drilling riser). Durch den eingepumpten Schlamm (statt dem früher genutzten Seewasser) dieses Systems ist das Bohrloch auch bei hohem Druck in großen Tiefen stabil, so dass größere Tiefen erreicht werden können. Das Schiff wird über dem Bohrloch mittels Satellitennavigation (GPS) und sechs Propellergondeln (Pod-Antrieb) auf Position gehalten. Die Proben (Bohrkerne) können an Bord in verschiedenen geologischen und biologischen Laboratorien untersucht und konserviert werden. U.a. ist ein Computertomograph an Bord. Biologische Proben können unter Ausschluss von Sauerstoff tiefgefroren gelagert werden, was wichtig ist, da Bakterien tief unter dem Meeresboden ohne Sauerstoff leben und Sauerstoff für sie giftig ist.

Chikyu ist 210 lang, 38 m breit und 130 m hoch (vom Schiffsboden bis zur Spitze des Bohrturms). Die Verdrängung beträgt 56 752 t. Der Antrieb erfolg über sechs Propellergondeln, deren Elektromotoren je 5710 PS leisten. Drei davon sind am Bug, drei am Heck positioniert. Damit werden bis zu 12 kn erreicht. Das Schiff verfügt über 47587 PS starke Diesel-Generatoren zur Stromerzeugung für den Antrieb, Bohrgestänge etc. Die Besatzung kann bis zu 200 Personen umfassen.

Chikyu wurde 2001-05 von Mitsui Engineering & Shipbuilding in Nagasaki gebaut und von Mitsubishi Heavy Industries ausgerüstet. Seit 2006 wird sie für diverse wissenschaftliche Bohrungen eingesetzt. Am 11. März 2011 wurde sie durch den Tōhoku-Tsunami beschädigt. Die Reparaturen wurden im Juni 2011 abgeschlossen. Am 9. September 2012 erzielte sie einen Weltrekord, als es ihr gelang 2466 m unter dem Meeresboden bei Shimokita Proben zu sammeln.

Der Bausatz

Etwas überraschend hat Bandai - bisher noch nicht für 1/700-Schiffsbausätze bekannt - in der Serie Exploring Lab diesen Bausatz der Chikyu herausgebracht. Das Modell kann sowohl in der Wasserlinien- als auch in der Vollrumpfvariante gebaut werden. Die Spritzlinge sind in verschiedenen Farben, was zusammen mit Aufklebern (!) den Bau des Modells ohne Bemalen ermöglichen soll. Dazu gibt es zahlreiche Steckverbindungen. Das deutet darauf hin, dass der Bausatz auch für den Anfänger gedacht ist. Bedeutet dies, dass er nur etwas für Anfänger ist? Ich denke nicht. Der Bausatz umfasst 14 Spritzlinge plus die beiden Rumpfteile, d.h. hat einen Umfang, der dem komplexen Vorbild gerecht wird.

Die Abmessungen und die Form des Rumpfs entsprechen dem Original. Die Detaillierung kann durch die Öffnung der Klüsen im Schanzkleid am Bug sowie das Aufbohren der Bullaugen verbessert werden. Auch die Gravur an der Oberkante des Wasserpasses ist etwas massiv.

Beeindruckend ist der Bohrturm, dessen Grundstruktur nur aus einem Teil besteht. Für diese massive Struktur sind dreidimensionale Plastikteile auch deutlich besser geeignet als z.B. Fotoätzteile. Die angegossenen Plattformen bestehen allerdings beim Original aus Lochplatten.

Interessant sind auch die komplexen Teile, z.B. der Aufbauten. Die Treppen sind angegossen und können mit Ätzteilen besser dargestellt werden. Der Bell 412-Hubschrauber hat auch etwas massive Details (wie fast alle entsprechenden Polystyrol-Hubschrauber in diesem Maßstab).

Ähnlich sind die weiteren Teile für die Aufbauten. Einerseits sehr komplex mit schönen Details, aber diverse Gitterstrukturen, z.B. der Unterbauten der Satellitenantennen hinter der Brücke, sind nur angedeutet (ein Betätigungsfeld für Ätzteilhersteller).

Hier weitere Teile für die Aufbauten, u.a. das Hubschrauberdeck. Die Gitterstruktur unterhalb des Decks sowie die Fangnetze könnten verbessert werden.

Dieser Spritzling, u.a. mit Teilen des Bohrgestänges, liegt zwei Mal bei:

Auf diesen Spritzlingen finden sich überwiegend Kräne und Teile des Bohrturms. Die Teile sind schön detailliert:

Die Lagergestelle für das Bohrgestänge entsprechen der massiven Form des Vorbilds, bei der Spitze des Bohrturms sind die Gitterstrukturen aber nur angedeutet. Auf diesen Spritzlingen finden sich auch die meisten Teile des mitgeführten ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs (Remotely Operated Vehicle, ROV).

Die Beiboote und Propellergondeln sind gut gemacht (die Propeller selbst sind auf einem Spritzling weiter oben).

Hier die Decks. Man beachte u.a. die angegossenen, aber schön detaillierten Ankerwinden:

Hier weitere Teile des Bohrturms, der Bohrgestänge, Anker und Auspuffrohre des Schornsteins:

Der Ständer für das Modell ist aus klarem Plastik gespritzt. Hier finden sich auch zwei Teile des Bohrturms. Eventuell sind dies beim Original keine verglasten Strukturen, sondern Strukturen, die von Gittern umgeben sind.

Es liegt auch ein klarer Plastikstab bei, der das Bohrgestänge unter dem Schiff andeuten soll - aber so natürlich dem Original nicht gerade nahe kommt.

Die Abziehbilder enthalten u.a. die Hubschrauberlandedeckmarkierungen, Markierungen des Betreibers JAMSTEC, Markierungen des Hubschraubers sowie der an Bug und Heck angebrachte Schiffsname.

Kurios ist der Bogen mit Aufklebern, um u.a. den Wasserpass und Aufbautendecks zu bekleben - was wohl Anfängern das Bemalen dieser Teile ersparen soll.

Die Anleitung

Die Anleitung umfasst einen ausführlichen vierseitigen Text in Japanisch über das Original (inklusive diverser Fotos des Originals) sowie in der Mitte einen ausklappbaren, Comic-artigen Teil, der die Arbeitsweise des Schiffs in Japanisch erklärt (nicht gezeigt). Nach einer (ebenfalls nicht gezeigten) Teileübersicht wird der Zusammenbau des Modells auf zwölf Seiten ausführlich mit Zeichnungen beschrieben. Hier finden sich auch diverse Kommentare, die in Japanisch gehalten sind, aber der Zusammenbau sollte mit Hilfe der Zeichnungen vollkommen unproblematisch sein. Auch Anfänger dürften sich zurecht finden (auch wenn dies ein sehr komplexes Modell ist).

Auf der letzten Seite befindet sich eine farbige Bemalanleitung (inklusive Angaben für die Abziehbilder), die allerdings auch nur auf Japanisch ist. Die Farben sind zwar als farbige Punkte dargestellt, ich konnte aber nicht feststellen, ob sie sich auf einen bestimmten Hersteller beziehen. Der Komplexität des Vorbilds wird diese Anleitung, die aus mehreren Farbfotos eines gebauten Modells besteht, aber nicht gerecht. Es empfiehlt sich Fotos des Originals anzuschauen (z.B. hier und hier).

Quellen

Fazit

Bandai ist zu gratulieren, dass sie sich an einen Bausatz eines modernen Forschungsschiffs/Bohrschiffs gewagt haben - sicher nicht das übliche Bismarck/Yamato-Vorbild. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Bausatz Nachahmer finden wird und weitere zivile Spezialschiffe im Maßstab 1/700 erscheinen. Die Qualität und Detaillierung der Teile ist überwiegend gut bis sehr gut. Der Bausatz ist auch für Anfänger ausgelegt, allerdings sollten diese nicht die Komplexität des Modells und die Zahl der zu verbauenden Teile unterschätzen. Aus dem Kasten gebaut dürfte man schon ein eindrucksvolles Modell erhalten. Für die Fortgeschrittenen - und die Zubehörhersteller - gibt es noch eine Reihe von Detaillierungsmöglichkeiten, z.B. Ersatz der nur angedeuteten Gitterstrukturen, weitere Detaillierung des Bohrturms etc. Insgesamt ist der Bausatz

alt sehr empfehlenswert

Lars