Prolog

Welcher Teufel reitet einen wenn jemand auf die Idee kommt, klitzekleine Schiffchen aus dem Baukasten zu basteln und später noch kleinere aus Plastikprofilen zu schnitzen?

Das sehr reichhaltige Angebot vom Ralf Schuster beinhaltete auf der letzten Show in Zeiskam auch Fotoätzteile für Schiffe im Maßstab 1/1200… Eigentlich gar nicht mein Maßstab, und die schwimmenden Blechkübel auch nicht unbedingt mein Metier. Jedenfalls nicht direkt aus dem Kasten gebaut, das wäre langweilig. Fix gekauft die kleinen Messingbleche mit Flugzeugpropellern, Relingen, Kränen und Radarantennen und erstmal auf den To Do-Stapel gelegt, allerdings ziemlich oben.


Nur wenig später fand ich einen günstigen Bausatz der Prince of Wales im entsprechenden Maßstab und entschloss mich die zu bauen. Prince of Wales ist gut bekannt für ihren Kampf mit der Bismarck und für ihre spektakuläre Versenkung durch japanische Torpedobomber. Das sie zwischen diesen Einsätzen noch einen weiteren wichtigen Beitrag zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs leistete, ist weniger bekannt, vermutlich weil dabei keine Kanonen donnerten:

Anfang August brachte die Prince of Wales den britischen Premierminister Winston Churchill über den Atlantik nach Neufundland zu einem geheimen Treffpunkt mit F. D. Roosevelt in die Placentia Bay. Begleitet wurde sie dabei ab Island von den Zerstörern HMCS Assiniboine, HMCS Restigouche und HMS Ripley. Stück um Stück entwickelte sich die Idee, Prince of Wales mit ihrem Zerstörerschirm als Diorama zu bauen. Was man dabei alles lernt kommt im Folgenden. Die eigenen Grenzen jedenfalls hab ich kennengelernt.

Das „Basismodell“ PoW von Revell

Jeder kennt sie, die kleinen Miniships von Revell und auch anderen Herstellern. Als fertige Modelle sind Schiffe in diesem Maßstab begehrte Sammlerobjekte mit wachsendem Markt.
Die „1200er“ Kits von Revell jedoch haben direkt aus dem Kasten gebaut eher einen Spielzeugcharakter – schließlich kommen sie ja auch aus diesem ursprünglich ernsten Wargaming-Bereich.

Der Bausatz von Revell stellt eine gute Basis dar, mit einigen Änderungen nicht nur aus den Fotoätzteilen, kann ein gut detailliertes Modell entstehen, das den Spielzeugcharakter weit hinter sich lässt. Die Teile des Bausatzes sind in der Regel etwas zu dick, eine Reling nur angedeutet und die Bullaugen stehen als Pickel hervor. Diese Modelle sind ganz klar für Anfänger gedacht, die eher einen Spielwert sehen als ein authentisches und detailliertes Modell. Der auf der Kartonrückseite abgedruckte Bauplan ist freilich nur eine grobe Richtlinie, für mehr Details war dann doch eine umfangreiche Recherche notwendig. Aber in diesen kleinen Dingern steckt Potenzial...

Der Bau

Da diese Modelle als Wasserlinienmodelle ausgeführt sind und ich möglicherweise etwas Wellengang im späteren Diorama habe, klebte ich als allererste Maßnahme 2-mm-Polystyrol unter den Rumpf und verlängert ihn so um maßstäbliche 2,4 m nach unten. Erste Arbeiten auf dem Schiff waren dann auch das Entfernen und Erneuern des Katapultes, das Austauschen der Artillerierohre bei Haupt- und Mittelartillerie und – sehr kleine aber umso wichtigere Details – das Aufkleben einer Vielzahl von Schränken, Kästen, Kabeltrommeln und zum Glück eckigen Lüftern. Allein diese kleinen Kästchen machten das sonst fast nackte Deck viel lebendiger.

Nebenbei lief immer ein Recherche-Programm: Bilder und Texte aus vielen verschiedenen Quellen zu Umbauten, Änderungen der Bewaffnung und am Wichtigsten der richtigen Tarnung.Sehr hilfreich waren die vielen Fotos von Modellen im Netz, vom Original (Bilder aus der Placentia Bay) und ganz wichtig Baupläne von größeren Baukästen.

Anhand dieser Vorlagen und weiterer reichhaltiger Hinweise aus der Modellmarine konnte ich vieles auf dem eher rudimentär ausgestatteten 1200er Modell ergänzen: Neben den vielen Kästen und Lüftern baute ich etwa 50 Schlauchboote, die zum Teil doppelt übereinander an verschiedenen Stellen an Deck und Aufbautenwänden platziert waren. Die bereiteten allerdings etwas Kopfzerbrechen. Die Carley Floats gab es in mehr als einem Dutzend unterschiedlichen Größen, ich entschied mich für eine mittlere Variante mit rund 10` auf 5`. Aber wie und woraus die 2,6 mm kleinen Schlauchboote herstellen? Die Lösung waren Kettenglieder, einzeln von der Kette getrennt, auf einer Pinzettenspitze die Längsrohre „parallelisiert“ und den Boden eingebaut indem ich die Kettenglieder auf einem Stahllineal in einen kleinen Tropfen Weissleim gelegt habe. Nach dem Abbinden des Leimes und gegebenenfalls Nachtropfen hatten alle Carley Floats einen Boden und konnten auf der Prince of Wales platziert werden. Die beiden kleinen Whaler auf dem vorderen Deck entstanden aus einem Raminholzrundstab, die dazugehörigen Davits aus über einer Pinzette gebogenem Messingrohr – ebenso die kleinen Kräne für die achteren Jakobsleitern.

Um alle Geschützrohre in gleicher Länge zu schneiden und nicht bei jedem Rohr neu messen zu müssen, klebte ich ein Messingrohr mit dem richtigen Durchmesser zur Gänze auf einen Streifen Klebeband und zeichnete hier die Rohrlängen auf. Das Schneiden mit der Scheibe ging nicht gut, aufgrund der Materialstärke reicht ein Skalpell aus. Durch das Klebeband ging mir auch kein Rohrabschnitt verloren. Insgesamt waren 26 Rohre neu zu schneiden und zu montieren. Bei der 5.25"-(13,3-cm)-Mittelartillerie wurden vor dem Einsetzen der Rohre auch die Turmdecken ergänzt.

Ein nächster Schritt war der Aufbau der Dreibeinmasten. Im Bausatz sind nur zwei einfache Pfahlmasten vorgesehen, die zudem noch etwas klobig wirken. Unter Verwendung von Bausatzteilen entstanden schlankere und etwas höhere Masten aus Messingrohr mit konisch gedrehten Rahen von Master Model aus Polen. Verklebt wurden die Messingteile nach penibler Säuberung zuerst mit Sekundenklebergel und zur zusätzlichen Sicherung mit einem Hauch Wolverine Weissleim.

Weitere Spieren entstanden aus gezogenem Gussast und wurden an den entsprechenden Stellen an Deck abgelegt. Damit war die kleine Prince of Wales auch schon fast fertig… „Nur noch“ die Reling und die Takelung der Masten… Die knapp einen Millimeter hohe Reling ist schon heftig, Relingverweigerer haben ab jetzt mein vollstes Verständnis. Die Takelung hingegen ging erstaunlich einfach vonstatten. Mit einem weißen Hintergrund ließ sich das 20 Denier UNI CAENIS Garn gut verarbeiten.

Gerne hätte ich mehr Figuren auf der Prince of Wales verteilt, zunächst bleibt es aber beim kleinen Winston, der als 1,5 mm hoher Stift mit zwei Beinen auf dem Achterdeck einen Spaziergang unternimmt. Für mich einer der größten Staatsmänner der Geschichte.


Auf der Ausstellung des MBC Koblenz in Vallendar sah ich dann bei den Pappkameraden ein sehr vorzügliches Modell der Prince of Wales in größerem Maßstab aus Karton. Das zeigte mir das ich mit meinem kleinen Modell doch noch nicht so ganz fertig bin, fehlen doch noch einige Lüfter und Schränkchen. Man lernt immer dazu.

Zu den 34 Teilen des Bausatzes kamen so noch etwa 180 weitere Kleinteile hinzu. Dem Prince of Wales-Bausatz von Revell liegen auch keine Anker bei. Wie die entstanden sind folgt in den Berichten zum Zerstörerschirm.

Das kleine Schiffchen, mit seiner später zu beschreibenden Zerstörer-Eskorte, hat viel Spaß gemacht, ich werde das Thema vertiefen und weitere kleine Blechnäpfe bauen, vielleicht als kleine Serie zum Thema Geleitzügen im Nordatlantik.

Quellen

Wikipedia, Naval-history.net, Uboat.net, Reddit

Frank Brüninghaus
Modellbauclub Koblenz