Das Original

Die SMS Deutschland war ein Einheitslinienschiff der Kaiserlichen Marine und lief am 19.11.1904 auf der Germania-Werft in Kiel vom Stapel. Das Schiff war schon kurze Zeit später durch die Einführung der Dreadnought in Großbritannien veraltet. Bei der einzigen großen Seeschlacht im Ersten Weltkrieg, der Skagerrakschlacht im Mai/Juni 1916, waren die Linienschiffe der Deutschland-Klasse wegen ihrer geringen Geschwindigkeit und Verletzlichkeit eher eine Behinderung für die Kaiserliche Flotte als eine Verstärkung. Das Schwesterschiff Pommern wurde in der Spätphase der Schlacht durch einen einzigen Torpedotreffer versenkt, die gesamte Besatzung fand den Tod.

Die SMS Deutschland war das erste Schiff ihrer Klasse. Die fünf Schiffe der Deutschland-Klasse sind zwar Schwesternschiffe, aber keineswegs eineiige Zwillinge. Sie wurden in verschiedenen Werften gebaut: Deutschland und Schleswig-Holstein bei Germania in Kiel, Pommern bei Vulkan in Hamburg, Schlesien bei Schichau in Danzig und Hannover bei der Kaiserlichen Werft Wilhelmshaven. Alle Schiffe bis auf Schleswig- Holstein hatten eine auffallende und dekorative Bugzier (Galionsfigur nannte man das in Segelschiffzeiten), zumeist das Landeswappen mit Schnörkeln drumherum, die Deutschland hatte eine Germania mit Wappen in der Hand, bei Schleswig-Holstein gab es leider keine Bugzier, sondern nur nur ein schlichtes Wappen an den Bugseiten. Am ähnlichsten sind sich noch die beiden in Kiel gebauten Einheiten Schleswig-Holstein und Deutschland. Eine weitere Schwierigkeit für den Modellbauer sind die ständigen Umänderungen und Umbauten an allen fünf Schiffen vor dem Weltkrieg. Kaum eine Fotografie, in der nicht die Scheinwerfer oder ihre Plattformen plötzlich an einer anderen Stelle stehen , die Rahen ebenfalls woanders oder sie fehlen ganz, die Aufbauten (Kompassturm, Deckslüfter, Dach vom vorderen Gefechtsmars) geändert. Besonders betrifft dies die Deutschland als ältestes Schiff ihrer Einheit.

Die augenscheinlichsten Änderungen wurden nach und nach im Winter 1908/1909 vorgenommen: die Scheinwerfer wanderten vom Bootsdeck (mittschiffs in Höhe der Kräne) auf Plattformen an den Masten und dem vorderen Schornstein, dessen Ummantelung um zwei Meter hochgezogen wurde. Die Stengen der Masten wurden durch eine zweite Ebene mit kreuzförmig angelegten Auslegern unterteilt und  das kleine Kompassdeck über dem vorderen Gefechtsstand verbreitert. Der hintere Kompassstand auf seinem Türmchen wurde  hinter den Großmast verlegt, vorher stand er davor. So bzw so ähnlich zogen die Schiffe dann  in die Skagerrakschlacht. Dieser Bauzustand ist das Vorbild für den Bausatz der Firma Trumpeter (Schleswig-Holstein 1908)

Der Bausatz

Der Bausatz von Trumpeter im Maßstab 1/350 ist wie gewohnt hervorragend verarbeitet. Die allermeisten Teile passen absolut präzise, so dass man glatt überrascht wird, wenn es mal nicht so ist: die zweiteiligen Spills auf Deck z.B., hier muss nachgefeilt werden.). Unvergleichliche Detailfülle und kaum überschüssiges Plastik wie bei anderen Herstellern. Leider sind einige Bullaugen vor allem am Bug zuviel eingelocht, zwischen den vorderen Schwalbennestern etwa gehört in der oberen Reihe nur ein Bullauge hin statt zwei, in der unteren Reihe keines  unten an das Schwalbennest. Vielleicht war da der Trumpeter-Bullaugenbeauftragte ein wenig übermotiviert.  Speigatten hat das Modell nicht. An diese offensichtlich heikle Thema trauen sich auch andere Hersteller nicht heran. Anker gibt es hingegen zu viele, allerdings nur in einer Größe; der Hallanker am Heck, der nur ein Drittel des Gewichts der beiden Buganker hat, musste also aus einem 1/750er Bausatz ausgeliehen werden.

Trotzdem: ein Bausatz der begeistert. Wenn man gleich zwei davon kauft, hat man den dritten Schornstein, der ja in der Version bis 1908 auf gleicher Höhe ummantelt sein soll wie die hinteren beiden. Und: es darf auch mal ein Teil verloren gehen (doch das passiert) oder beim Heraustrennen aus den Spritzschablonen beschädigt werden. Trumpeters sind nämlich der Meinung, dass man die feinen filigranen Teile atombombensicher in den Versand geben muss, was leider bleibende Spuren auf den kostbaren Dingern hinterlassen kann wenn man nicht höllisch aufpasst. Die Stengen brechen sehr gerne trotz aller Vorsicht, zum Glück werden die eh durch Metalldraht ersetzt (siehe Baubericht).

Das Modell

Ich verwende Sprayfarben von Tamiya: Linoldeck braun für Aufbaudeck, Hütte und Leitstände, German Grey für die Decks vom Batteriedeck, Erker der Kasematten, Deckplatten der Türme und Plattformen, Kranbalken und Torpedokran am Bug; Rubber black für alles was schwarz werden soll, Matt black für die Schornsteininnenseiten, Grundierung grau.  Außerdem gold für Bug-und Heckzier, grün und rot für Ruderstandsanzeige und seitliche Positionslichter, rostfarben bzw. hellgrau für die Rettungsringe. Ich habe das Modell nur sehr dezent gealtert, schließlich soll es ja das Schiff bei der Jungfernfahrt zeigen und da war sie noch relativ neu.

Zum Einsatz kam der Add-On-Ätzteilsatz von Eduard, der allerdings für die späte Version des Schiffes mit nur zwei Schornsteinen gemacht wurde. Einiges musste daher improvisiert werden.Nicht verwendet habe ich die Relingsstreifen, das sie doch sehr filigran und widerspenstig anmuten. Und die Position der Bullaugen-Deckel (hinten, vorn, unten) passt nicht zu den Fotos, weder bei Deutschland noch bei der Schleswig-Holstein. Das hält echt auf, lieber Herr Eduard! Ansonsten ein tolles Set mit vielen kleinen Deckechen Ösen und nicht benötigten Teilen, die man dann beim nächsten Modell verwenden kann.

Des weiteren die gedrehten Metall-Geschützrohre eines polnischen Drehbankbesitzers, sehr günstig und sehr ordentlich.Das chinesische Holzdeck ist ein Wunderwerk, kein Vergleich mit der Plastik-Maserung des Bausatzes. Der Hersteller legt auch unaufgefordert eine wunderbare brünierte Ankerkette bei, die viel realistischer ist als die von Trumpeter. Das Deck war übrigens innerhalb einer Woche da.

Und schließlich die Eduard-Platine mit dem Flaggensatz aus kaiserlicher Zeit, ebenfalls unvergleichlich in ihrer Qualität.

Für die anspruchsvolle Takelage waren folgende Materialien nötig: Schweißdraht 0,8 mm als Maststengen (die Plastikstengen im Bausatz sind zu kurz, außerdem biegen sie sich leicht durch und sind auch sehr brüchig), Federdraht 0,3 mm (Stahl, gibt es bei Hornbach), Kupferstangen 0,15 mm für die Stage der Masten bzw. 0,0165 mm für das laufende Gut (Flaggleinen, Takelung der Kutterdavits, Signalleinen usw). Die Kupferstangen der koreanischen Firma Inifini sind zugegeben sündhaft teuer und schwer zu kriegen, aber ich sehe keine andere Möglichkeit drei Dutzend Signalleinen gleichzeitig straff zu kriegen. Schon mit steifen Kupferstangen ist es als wolle man einen Sack Flöhe domestizieren. Für die Stage vor bzw hinter den Masten dann 0,08 mm Angelschnur, damit lässt sich dann die gesamte Takelege auf Spannung ziehen, ähnlich wie bei einem Flaschenschiff - wenn es denn klappt. Die Kupferstangen müssen übrigens schon beim Festkleben in die richtige Richtung zeigen, sonst biegen sie sich hinterher unschön durch.

An Werkzeugen habe ich nicht viel zu bieten. Zwei Proxxon Mini-Bohrmaschinen mit Fräsen, Bohrern und Kreissägeblättern, ein Dutzend Pinzetten, eine ehemalige Thrombosespritze, zwei Nagelscheren (eine schneidet an der Spitze, die andere in der Mitte), ein paar Modellbau-Zangen, Cutter und Wäscheklammern. Ach ja, ein paar sehr feine Feilen auch noch (rund, drei-und viereckig, oval). Und eine ordinäre Nagelfeile, die macht die Hauptarbeit.

Ich wollte gerne ein Schiff der Deutschland-Klasse bauen mit der hübschen vergoldeten Bugzier. Daher fiel die Schleswig Holstein aus, die hat nur ein Wappen rechts und links. Die Pommern und Schlesien fielen aus, weil bei ihnen die Hütte, also das hintere Aufbaudeck, um ein Deck niedriger ist als bei den anderen Schiffen. Als fehlt bei diesen beiden auch die obere Reihe Bullaugen im hinteren Aufbau. Sehr schade, bei diesen Schiffen ist die Bugzier besonders schön (Wappen mit Schnörkeln). Die Hannover fiel aus, weil sie eine andere Brückenkonstruktion hatte. Blieb nur die Deutschland.


Hier eine Aufstellung der wichtigsten Änderungen, die ich gemacht habe:

  • Bugzier, zusammengesetzt aus dem Oberkörper einer Stewardess aus einem Boeing 737-Bausatz in 1/144, zusammengezwirbelten Reling-Kupferdrähten und einem Ätzteil-Metallsitz der Hood 1/200 als Wappen
  • Die Heckzier aus einem selbstgemachten Wappen mit dem Buchstaben W (Wilhelm) aus einem Revell-Bausatz und den abgeschnittenen umgedrehten Flügeln vom Reichsadler aus dem Trumpeter-Ätzteilbogen. Die Krone über dem W ist einfach ein Krümel vom Boden des Bastelkellers, es könnte sich um ein Stück Dreck handeln (überzeugte Monarchisten bitte dies zu überlesen)
  • Ob die Deutschland eine Tür zum Admiralsdeck am Schiffsende hatte ist unsicher. Bei manchen Aufnahmen ist ganz eindeutig eine zu sehen, die Pommern hatte jedenfalls keine. Aber wie soll dann der Admiral auf sein Deck gekommen sein, frage ich mich. Also habe ich eine Tür eingebaut.
  • Das Namensschild aus einem Kupferstreifen mit den Buchstaben aus einem Tamiya-Abziehbildbogen (Douglas-Sturzkampfbomber glaube ich)
  • Die acht Schwalbennester sind beim Modell nur rudimentär dargestellt, es fehlen die wasserdichten Klappen für die 8,8-cm-Geschütze dahinter. Die hintersten zwei Schwalbennester fehlen sogar ganz, das Modell weist an ihrer Stelle nur ein einzige Bullauge auf.. Ich habe die Klappen hergestellt aus passend geschnittenen Skylights aus dem Arizona-AddOn-Satz von Eduard, da sind bereits perfekte Löcher in der entsprechenden Größe drin.
  • Die Ausleger der Brücke müssen abgestützt werden mit zweifach gelochten Konsolen (Hood-Bausatz)
  • Das Schiff hat an jeder Ecke der Zitadelle je einen Kran. Der lässt sich einfach anfertigen aus einer Rah oder der nicht verwendeten Stenge der Obermasten.
  • Die Heckankerkette läuft nicht über das Auge am Ende des Decks, wie im Bauplan angegeben. Nicht ganz eindeutig, ob sie überhaupt über das Oberdeck läuft. Das muss ich eventuell noch ändern.
  • Das Schiff hat zwei Positionsleuchten rechts und links an der Brücke (Hood) und am Heck über dem Admiralsdeck
  • Laut Literatur hatte die D-Klasse an jeder Seite 15 Speigatten knapp über der Wasserlinie. Ich sehe allerdings nur maximal 10 auf den unterschiedlichen Fotos. Wo sind die anderen fünf?

Andreas Frücht