Die Queens

 

Queen Mary, Long Beach, California, Foto Greg Goebel, Loveland CO, USA, Wikimedia Commons

Zur Geschichte der Transatlantik-Passage

Die Entdeckung des amerikanischen Kontinents löste bis ins 20. Jahrhundert hinein eine immer größer werdende Auswanderungswelle aus. Viele suchten im Land der ungeahnten Möglichkeiten Freiheit von veralteten Klassen- und Herrschaftssystemen. Selbstbestimmung, Erfolg durch Arbeit und eigener Besitz lockten in die Ferne. Die schwierigste Passage dabei war die Überwindung des Atlantiks. Mit Segelschiffen dauerte sie Wochen durch eine oft raue See im engen Zwischendeck unter ungünstigen hygienischen Verhältnissen.

Erst die Erfindung der Dampfmaschine brachte markante Veränderungen. Mit Walzwerken, Pressen und Stanzen konnten nun große, eiserne Werkstücke hergestellt werden. Der Bau größerer, eiserner Schiffe wurde möglich. Unabhängig von Wind und Strömung trieben Dampfmaschinen die Schiffe an und ermöglichten einen fahrplanmäßigen Betrieb. Immer stärkere Antriebsanlagen verkürzten die Schiffsreisen zwischen altem und neuem Kontinent. Die Größenentwicklung ergab mehr Platz, was das Reisen bequemer machte. Um sich die Kunden zu sichern, boten die Reedereien immer mehr Komfort, gar Luxus. Auswanderungswillige, die in großer Zahl als in der 3. Klasse Reisende untergebracht wurden, sicherten den Profit der Gesellschaften. Ohne sie hätte sich die prunkvolle Ausstattung für die wenigen der 1. Klasse kaum rentiert. Aber diese diente dem Renommee der Schiffe und ihrer Betreiber. Die Konkurrenz unter den Gesellschaften erzeugte immer größere und schnellere Schiffe, die schwimmenden Paläste wurden gar zum Inbegriff von verschwenderischem Luxus, allerdings nur für Erst- und Zweitklasspassagiere. Ausdruck dieses Wettbewerbs wurde der Kampf um das Blaue Band, einer Auszeichnung für die schnellste Überfahrt bzw. das schnellste Passagierschiff von Europa nach New York oder umgekehrt.

RMS Mauretania. Von 1909 bis 1929 ununterbrochen Trägerin des Blauen Bandes. Wikimedia Commons

Als die PAN AM mit ihren Yankee Clippern ab 1939 einen regelmäßigen Flugverkehr zwischen der alten und neuen Welt einrichtete, konnte man erahnen, wem die transatlantische Zukunft gehören würde. Nach dem Krieg entwickelten sich Technik und Größe der Passagierflugzeuge rasant. Ab 1958 dauerte eine Reise von New York nach Paris mit einem der neuen Jets (Boeing 707 und Douglas DC-8) gerade einmal 8 ½ Stunden. Die Defizite der Schifffahrtsgesellschaften auf der Transatlantikroute wurden immer größer. Die Fahrten wurden eingestellt, die Riesenschiffe verschrottet. Nur die Cunard Line hielt mit der neuen Queen Elizabeth 2 noch den Seeweg offen. Sie wurde 2003 durch die Queen Mary 2 abgelöst, die seither ein wieder erwachtes Bedürfnis für eine Reise zwischen den Kontinenten auf dem Seeweg abdeckt.

RMS Queen Mary und RMS Queen Elizabeth

Neben den großen deutschen, französischen, holländischen und amerikanischen Gesellschaften gehörten die Cunard Line und die White Star Line unbestreitbar zu den bedeutendsten Anbietern im Transatlantikgeschäft. Markenzeichen der Cunard Line nach der Jahrhundertwende waren etwa die beiden Schwesterschiffe Mauretania und Lusitania. Nicht minder berühmt waren die Schwestern Olympic, Titanic und Britannic der White Star Line. Diese waren nicht die schnellsten, aber prunkvollsten Schiffe ihrer Zeit. Das Schicksal der Titanic ist bekannt; die Britannic sank 1916, kaum ein Jahr im Dienst, als Lazarettschiff in der Ägäis nach einem Minentreffer. Der „Royal Mail Steamer“ Olympic – das glückhafte Schiff – transportierte während seiner 28-jährigen Dienstzeit fast eine halbe Million Passagiere und querte den Atlantik 257 mal, bevor er 1935 abgewrackt wurde.

Bemerkenswert ist auch die Entwicklung der Reiseströme zwischen altem und neuem Kontinent. Aufgrund drastischer Beschränkungen durch die amerikanische Regierung nach dem Ersten Weltkrieg ging die Einwanderung stark zurück. Parallel entstand aber eine Gegenbewegung Richtung Osten, weil viele Amerikaner vermehrt das alte Europa besuchen wollten. Die Schifffahrtsgesellschaften reagierten sofort und boten mit Erfolg statt einer 3. Klasse eine umgebaute, komfortable Touristenklasse zu einem günstigen Preis an. Das rettete die Transatlantikschifffahrt, neue Schiffe kamen in Fahrt.

Über drei Jahre rostete auf der Werft John Brown & Company ein ungetümer Schiffsrumpf von über 300 Metern Länge vor sich hin. Die Weltwirtschaftskrise hatte den Bau der Queen Mary zum Stillstand gebracht. Mit Hilfe des britischen Schatzamtes und unter der Bedingung, mit der maroden White Star zu fusionieren, konnte der Liner weitergebaut werden. Rund 14.000 Beschäftigte hatten dadurch wieder Arbeit.

Bei ihrer Indienststellung am 27. Mai 1936 war die Queen Mary nicht das längste – die Normandie übertraf sie um drei Meter – aber mit 80.774 BRT zum damaligen Zeitpunkt das größte Schiff auf dem Atlantik. Im August des gleichen Jahres errang sie das Blaue Band. Sie blieb für die nächsten 16 Jahre das schnellste Schiff auf dem Atlantik, bis sie durch die United States – sie fuhr respektable 34,5 Knoten - 1952 entthront wurde. Als der englischen Tradition verpflichtetes Schiff äußerst beliebt, fuhr die Queen Mary im Unterschied zur topmodern designten Normandie schon bald gewinnbringend auf ihrer regelmäßigen Tour Southampton – New York.

Queen Mary. Cunard Line

Der bewilligte Staatskredit machte auch den Bau eines zweiten Schiffes möglich, der Queen Elizabeth. Sie war ein Riese von 83.637 BRT mit zwei Schornsteinen, einer Länge von 314 Metern und einer Breite von 36 Metern. Rund 1.100 Besatzungsmitglieder sollten für das Wohl der 2.283 Passagieren zuständig sein.

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war das Schiff nur halb fertig. Es erfolgte der Umbau zum Truppentransporter. Grau gestrichen versahen die beiden Queens ihre Transportaufgaben als schnelle Einzelfahrer zwischen Australien, Neuseeland, den USA und England. Nach einem weiteren Umbau wurde die Kapazität auf je 12.000 Mann – eine ganze Division – erhöht, um Truppen für eine Invasion des europäischen Festlandes bereitzustellen zu können. Mehr als die Hälfte der 175.000 Mann, die am D-Day beteiligt waren, wurden durch die beiden Queens nach England transportiert! Einmalig war der Rekord der Queen Mary, als sie am 25. Juli 1943 mit insgesamt 16.683 Soldaten und Besatzungsmitgliedern in New York Richtung Großbritannien ablegte. Über die ganze Kriegszeit legte die Queen Mary 600.000 Seemeilen zurück und transportierte rund 800.000 Soldaten. Die Queen Elizabeth erreichte eine Strecke von 500.000 Seemeilen und beförderte 700.000 Mann. Winston Churchill meinte, dass durch den Einsatz der Queens der Krieg um ein Jahr verkürzt worden sei.

Queen Mary im grauen Kriegsanstrich, Wikimedia Commons

Queen Mary und Queen Elizabeth. Cunard Line

Queen Elizabeth. Wikimedia Commons

1946 wurden die beiden Schiffe umgebaut und ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt, nämlich den wöchentlichen Passagierverkehr zwischen Southampton und New York zu betreiben. Nach zehn Jahren erfolgreicher Fahrten änderte sich die Marktsituation mit der Einführung von Langstreckenflügen schlagartig. 1961 etwa betrug der Verlust der Cunard runde 20 Millionen Euro!

Weil als Kreuzfahrschiff ungeeignet, stand die Queen Mary 1967 zum Verkauf. Die Stadtverwaltung von Los Angeles erhielt für 3,5 Millionen Dollar den Zuschlag. Seither liegt sie als schwimmendes Hotel, Museum und Konferenzzentrum fest vertäut im Hafen von Long Beach. Zusammen mit dem in der Nähe festgemachten Schlachtschiff USS Iowa (siehe Fotogalerie) bilden die beiden Schiffe eine nicht mehr wegzudenkende Sehenswürdigkeit.

RMS Queen Mary fest verankert in Long Beach

Ein unrühmliches Ende war der Queen Elizabeth beschieden. Ein amerikanischer Spekulant erwarb den Liner 1968 mit der Absicht, ihn als Hotelschiff in Fort Lauderdale, Florida, zu betreiben. Als das Geld für den Umbau ausging, wurde das Schiff nach Hongkong verkauft, wo es als Hochschule für Meereskunde und Ausbildungsstätte für Marinekadetten genutzt werden sollte. Im Verlauf der Umbauarbeiten brach ein durch Brandstiftung angefachtes Feuer aus. Ausgeglüht sank das Schiff auf den Hafengrund. Die Abwrackarbeiten dauerten mehr als zwei Jahre.

Wrack der Seawise University ex Queen Elizabeth. Wikimedia Commons

Wilfred Grab