Das Original

Nach der Niederlage im zweiten Opiumkrieg (1856-60) war man sich in China über die Notwendigkeit einer starken Flotte bewusst geworden. Es wurden große Summen Geld bereitgestellt, um eine moderne und schlagkräftige Schlachtflotte aufzubauen und Ende der 1880er Jahre verfügte das Kaiserreich China über die größte, bestens ausgerüstete und ausgebildete Flotte Asiens. Prunkstücke der Nordflotte (Beiyang-Flotte, die qualitativ beste und modernste der vier chinesischen Flottenverbände), waren die Panzerturmschiffe Ting Yuen (定遠, Dingyuan) und ihr Schwesterschiff Chen Yuen (鎮遠, Zhenyuan). Beide Schiffe wurden für einen Stückpreis von 1,7 Mio. „Taels“ Silber (etwa 6,2 Mio. Goldmark) in der „Stettiner Maschinenbau AG Vulcan Werft“ gebaut.

Die Kiellegung der Ting Yuen erfolgte am 31.März 1881, am 28.Dezember 1881 lief das Schiff vom Stapel und die See-Erprobung begann am 2.Mai 1883.

Technische Daten:

Länge über alles : 94,5 m
Breite: 18,4 m
Tiefgang: 5,9 m
Verdrängung: 7670 t
Antrieb: 2-Wellen Dreifach-Expansions-Dampfmaschine mit 6000 PS
Höchstgeschwindigkeit: 14,5 Knoten
Reichweite: 4500 Seemeilen bei 10 Knoten
Besatzung: 363 Offiziere und Mannschaften

Bewaffnung:
4 x 30,5 cm Krupp Hinterlader Kanonen in Barbetten, Reduitsystem, je zwei an Steuerbord und Backbord
2 x 15 cm in Türmen an Bug und Heck
6 x 3,7 cm Hotchkiss Kanonen an verschiedenen Stellen an Deck
3 Torpedorohre über der Wasserlinie
2 kleine Torpedoboote auf dem Deck zur Nahunterstützung
mehrere Gatling-Geschütze an Deck und den Ausguckposten an den Masten

Die Auslieferung des Schiffes sollte 1884 mit einer deutschen Überführungsmannschaft erfolgen, es dauerte jedoch bis zum Jahr 1885, da Frankreich, das sich zu dieser Zeit mit China im Krieg befand (1884-85), bei der deutschen Regierung intervenierte, um die Übergabe zumindest zu verzögern. Die Ting Yuen wäre jeder Einheit der französischen Asienflotte Haushoch überlegen gewesen! 1885 setzte die Ting Yuen endlich Segel Richtung China und wurde im darauf folgenden Jahr der Beiyang-Flotte eingegliedert.

In den folgenden Jahren verlor die Regierung Chinas unter der Herrschaft der Witwe des Kaisers, Tzú-hsi, jedoch zusehends das Interesse an der Flotte und die vorgesehenen Gelder zu deren Unterhaltung wurden für andere Dinge verwendet, unter anderem für den Ausbau des Sommerpalastes der kaiserlichen Witwe. Die weit verbreitete Korruption in den chinesischen Behörden tat ein übriges dazu. Der Sold für die Besatzungen wurde, wenn überhaupt nur sporadisch gezahlt, die wenige Munition war überlagert und teilweise unbrauchbar, die Geschütze waren durch die Bedienungen kaum eingeschossen worden und die Schiffe hatten so gut wie nie die Häfen verlassen.

So war die Situation am Morgen des 17.September 1894, als Admiral Ting Ju-Chang (ein ehemaliger Kavallerie-Oberst ohne Seekriegsausbildung) mit seinem Flaggschiff Ting Yuen, dem Schwesterschiff Chen Yuen, acht geschützten Kreuzern und drei Torpedobooten an der Mündung des Yalu auf die japanische Flotte unter Admiral Sukeyuki Ito traf. Japan hatte China kurz zuvor den Krieg erklärt (1. Japanisch-Chinesischer Krieg August 1894 – April 1895) und seine Flotte in Marsch gesetzt. Im Verlauf der Seeschlacht wurde Admiral Ting Ju-Changs Verband nahezu aufgerieben. Der modernen Taktik der Japaner, der besseren Ausbildung und Disziplin der Besatzungen der japanischen Kriegsflotte hatten die Chinesen nichts entgegen zu setzen. Der chinesische Admiral und sein britischer Berater wurden bei der ersten Salve eines Hauptgeschützes der Ting Yuen durch den Druck beinahe von der Brücke gefegt! Ting Ju-Cheng war für zwei Stunden bewusstlos, der britische Berater Lieutenant W.F.Tyler, Royal Navy Reserve, trug schwerste Verletzungen davon.

Nach dem Gefecht am Yalu, bei dem die Ting Yuen fast 200 Treffer aller Kaliber einstecken musste (der 30 cm dicke Panzergürtel verhinderte stärkere Schäden), wurden die Reste des Geschwaders nach Liugongdao Island verlegt. Im Frühjahr 1895 war die chinesische Flotte dort von Land und See durch japanische Truppen und Seestreitkräfte eingekesselt und am 5.Februar 1895 wurde die Ting Yuen von japanischen Torpedobooten schwer getroffen und fing Feuer. Kapitän Liu Buchan setzte das Schiff auf Grund und die Ting Yuen wurde aufgegeben. Admiral Ting Ju-Cheng und die meisten hohen Offiziere der Flotte begingen Selbstmord.

Ein Nachbau der Ting Yuen ist heute im Hafen von Weihai/China zu besichtigen.

Das Modell

Der Bau dieses Modells gestaltete sich doch sehr entspannt. Alle Teile sind durchweg sehr passgenau, die Fotoätzteile sind gut zu verarbeiten. Da ich mein Modell in seinem Element darstellen wollte, habe ich mich für die Option Wasserlinie entschieden, die Option Vollrumpf ist im Bausatz ebenfalls möglich. Allerdings hat das Modell im „Wasserlinienmodus“ etwas wenig „Fleisch“ nach unten, will sagen, bei der Darstellung eines stärkeren Seegangs fehlt dann doch der untere Teil des Rumpfes. Da ich mein Modell bei der ersten Probefahrt vor Stettin in einer ruhigen Ostsee darstellen wollte, stand ich aber nicht vor dem geschilderten Problem.

Der Bausatz gibt die Möglichkeit von zwei Erscheinungsbildern der Ting Yuen vor: Nach der Fertigstellung 1885 und während der Schlacht am Yalu 1894. Die dafür notwendigen Unterschiede im Bau werden im Bauplan sehr eindeutig dargestellt. Man sollte allerdings darauf verzichten, erst alle Aufbauten komplett fertig zu stellen und dann auf das Hauptdeck zu kleben wie im Bauplan angegeben. Bruch der Kleinteile, Schweißausbrüche und nicht jugendfreie Flüche sind vorprogrammiert, denn ausgerechnet an den dafür vorgesehenen Ansatzstellen ist die Passgenauigkeit nicht so dolle, zudem war das Hauptdeck meines Modells leicht verzogen.

Etwas fummelig gestaltete sich auch der Bau der beiden Torpedoboote, denn die dafür vorgesehenen Fotoätzteile sind doch arg klein. Hier hilft nur ruhig zu bleiben und ein paarmal trocken anzupassen, um die richtige Biegung zu finden.

Auf das Abkratzen der aufgeprägten kleinen Drachen an Bug und Heck habe ich verzichtet, denn der Ersatz aus fotogeätztem Material hat mich nicht überzeugt. Ich habe die kleinen Metalldrachen an den Ecken des Holzrahmens meines Dioramas aufgebracht.

Lackiert habe ich mit den im Bauplan u.a. angegebenen Farben von Gunze-Sangyo, die Figuren stammen aus dem Sortiment von Eduard. Die kleine Barkasse entstand scratch aus einem Beiboot der Bismarck. Die Ankerketten spendierte die Grabbelkiste.

Aufgebracht habe ich die Modelle auf einer Glasplatte, die mit einem handelsüblichen Acrylgel in der Tupfmethode mit einem großen Pinsel bearbeitet wurden. Die Farbe des Wassers wurde dann von unten mit einem Airbrush in mehreren Schichten lackiert.

Die Verspannung habe ich mittels eines sehr dünnen Gummifadens durchgeführt, der aus dem Programm von „Wingnut Wings“ stammt und eigentlich für Flugzeuge des 1.Weltkriegs gedacht ist. Leider gab es zum Zeitpunkt des Baus noch keine geätzten Wanten für die Ting Yuen und auch im Bausatz sucht man vergebens. Schade, denn im Bauplan sind sie deutlich zu sehen! Inzwischen kann man solche Wanten auf dem Zubehörmarkt erwerben und ich werde sie in der nächsten Zeit auch sicher mal nachrüsten (wenn mal wieder Platz ist in der Werft!).

Mein Diorama stellt das Panzerturmschiff Ting Yuen bei seiner ersten Probefahrt in der Ostsee dar. Die Anker sind gelichtet, der Kommandant geht gerade mit einer Barkasse längsseits, um an Bord zu kommen. Dort wird er schon von einer Ehrenwache erwartet.

Auf die Beflaggung habe ich bewusst verzichtet, denn niemand konnte mir sagen, wie diese hätte aussehen sollen. Deutsche Handelsflagge am Heck und die chinesische am Hauptmast?? Auch das Quellenstudium (allzu viel gibt es auch nicht) brachte keine Antwort, also habe ich das Tuch weggelassen.

Thomas Schmidt