Boot der Gilbert-Inseln

Das Original

Die Kulturen Poly- und Mikronesiens sind mangels geeigneter Rohstoffe vorallem auch durch das Fehlen von Metallen und der Töpferei gekennzeichnet. Sämtliche Artefakte, einschließlich der Boote, wurden ursprünglich ohne Verwendung von Metallen hergestellt. Gemessen an den verfügbaren Materialien war der Bootsbau außerordentlich differenziert. Heute hält sich der traditionelle Bootsbau wohl nur noch in Gebieten, die über wenig (wirtschaflichen) Kontakt mit der übrigen Welt oder beschränkte Resourcen und damit Zugang zu Produkten der westlichen Zivilisation haben. Diese bedeutenden kulturellen Errungenschaften sind damit schon fast aus ihrem alltäglichen Kontext verschwunden und in die Museen verbannt. Das Völkerkunde-Museum in Berlin-Dahlem z.B. ist in der glücklichen Lage über eine Sammlung der wichtigsten Typen ozeanischer Wasserfahrzeuge zu verfügen.

Das besegelte Auslegerboot von den Gilbert-Inseln (heute Kiribati, Abb. 1) konnte mit Erlaubnis des Museums vor längerer Zeit photographiert und skizziert werden. Daneben gibt es einige wissenschaftliche Abhandlungen. Die Konstruktion des Bootes in Dahlem, das im Jahre 1951 gebaut und 1964 dorthin überführt wurde, ist aber gegenüber den Beschreibungen in der Literatur etwas vereinfacht.

Boot der Gilbert-Inseln

Trotz dieser Einschränkungen gelang es den Bewohnern der Gilbert-Inseln mit die schnellsten nicht auf ingenieurwissenschaftlicher Grundlage entwickelten Boote der Welt zu bauen. Bei geigneten Wind- und Seeverhältnissen, z.B. auf den Lagunen innerhalb der Atolle, werden Geschwindigkeiten bis zu 20 Knoten erreicht.

Die Boote der Gilbert-Inseln unterscheiden sich von denen der meisten anderen Pazifik-Inseln dadurch, daß sie nicht Einbäume oder ‚erweiterte‘ Einbäume, sondern auf einem Kiel aus einzelnen Plankenstücken zusammengesetzt sind. Der Rumpf wird nach der Schalenbau-Methode aufgezimmert. Der Hauptspantquerschnitt ist, wie bei den meisten Auslegerbooten, asymmetrisch, um dem Moment des Auslegers entgegenzuwirken.

Boot der Gilbert-Inseln

 

Eine Versteifung erhält der Rumpf durch die verschiedenen Hölzer des Auslegergeschirrs. Sind sind in Ausklinkungen des obersten Plankenganges eingelassen und, wo immer sie andere Hölzer des Geschirrs oder Rumpfteile kreuzen, mit Kokosfaserschnur untereinander verbunden. Die Querbalken dienen auch als Duchten beim Paddeln und Steuern.

Die Besegelung besteht aus einem dreieckigen Segel, das ursprünglich aus einem Geflecht von Pandanusblättern bestand. Da der Prozeß des Bleichens, Weichklopfens und Flechtens aber sehr aufwendig ist, werden schon seit langem importierte Baumwollstoffe verwendet, auch wenn diese nach einer Kenterung nicht so schnell trocknen, wie das geölte Pandanusblattgeflecht.

Gesteuert wird das Boot mit einem einteiligen Paddel, das in einer Astgabel als Widerlager an der jeweiligen Heckseite festgelascht wird. Die Paddel zur Fortbewegung bestehen hingegen aus zwei Teilen.

Boot der Gilbert-Inseln

Das Modell

Das Modell ist im Maßstab 1:87 gehalten ist – hauptsächlich weil es von der Firma Preiser (Modelleisenbahn-Zubehör) in diesem Maßstab Figuren gibt, die sich zu ”Insulanern” eignen. Der Rumpf ist aus einer westindischen Variante des Buchsbaums (Castelo) geschnitzt. Mit einem Gravierstichel wurden die Nähte zwischen den Bauteilen und die Bindungen angedeutet. Verdünnte Farbe hebt diese Gravuren später etwas hervor. Das Auslegergeschirrs besteht aus Messing- und Kupferdraht. Vorsichtiges Knicken, stellenweises Flachklopfen und Richten mit der Hand sowie grobes Verzinnen gibt dem Draht – nach entsprechender Bemalung – das Aussehen zugerichteter Äste. Alle Teile des Auslegergeschirrs sind vorbildgetreu durch Binden zusammengefügt. Hauchdünnes Seidengarn, wie es früher zum Stopfen von Damenstrümpfen verwendet wurde, imitiert, mit brauner Beize gefärbt, die Kokosschnur. Die Bindungen wurden so geführt, daß sie dem äußeren Erscheinungsbild des Orginals weitgehend entsprechen, wobei allerdings Kompromisse an die Praktikabilität gemacht werden mußten.

Früher wurden die Rümpfe vor Gebrauch mit Kokosöl gelabsalbt, während in neuerer Zeit Ölfarbenanstriche üblich sind. Ein Hauch Lasurlack bewirkt, daß das Modell wie 'geölt' erscheint.

Boot der Gilbert-Inseln

Eine szenische Eingliederung illustriert seine Gebrauchsweise und die Umwelt, in der es entstanden ist. Die Gilbert-Insulaner entstanden aus dem wundervoll modellierten Bausatz ”Adam und Eva” der Fa. Preiser.

Das Wasser der Lagune besteht aus Plexiglas, auf das mit Acryl-Gel-Medium eine leichte See und die Gischt modelliert wurden.


Eberhard Falck