Het Ysschuitje (Eisschute oder Eissegler)

oder „wer holt jetzt die Kuh vom Eis?“

Auf der Suche nach irgendwelchen Informationen zu einem Modell fand ich in dem Buch Sailing Ships, Prints by the Dutch Masters from the 16th to the 19th Century die Zeichnung einer niederländischen Winterszenerie von Simon Fokke. Die Idee kam schnell, warum nicht einmal Wasser in dem sonst nicht so häufigen Aggregatzustand darstellen, eben dem festen?

Mit dem fantastischen, sehr flexibel ausbaufähigem „mittelalterlichen“ Beiboot der Firma Zvezda lag der Grundbausatz im Fundus vor. Mit wenigen Änderungen, allerdings völlig neuer Takelung, war die Ysschuitje innerhalb weniger Tage fertig. Das Vorhaben wurde immer weiter ausgebaut, im Gespräch mit Clubkollegen entstand auch die Idee mit der Kuh auf dem Eis.

Das Eissegeln

Ein wenig liegen die Anfänge im Dunkel der Geschichte. Man geht aber heute davon aus, dass dieser „Sport“ im 17. Jahrhundert oder kurz davor aus einer Not heraus geboren wurde. Auf den zugefrorenen Kanälen, Gräben und Grachten der Niederlande war im Winter kaum ein Warentransport möglich. Findige Skipper kamen bald auf die Idee, ihre Lasten auf Kufen zu verladen, ein Segel darauf zu takeln und mit diesem Fahrzeug über die zugefrorenen Gewässer zu ziehen. So war der Profit der Pfeffersäcke gesichert.

Es wundert nicht, das aus dieser Erfindung bald ein Sport wurde. Sicher haben die Niederländer schnell bemerkt, was für Geschwindigkeiten so erzielt werden können. Mit Sicherheit war diese Art der Fortbewegung damals die Schnellstmögliche.

Heute werden mit modernen Eisseglern Geschwindigkeiten über 100 km/h erreicht. Dem obigen Bild liegt eine kurze Beschreibung zur Geschwindigkeit dieser Boote bei: „… sie fahren eine Strecke in zwei Minuten für die ein Mann eine viertel Stunde zu Fuß bräuchte...“

Ob man für ein Ysschuitje vorhandene Boote genutzt hat oder ob auch als Eissegler konzipierte Fahrzeuge gebaut wurden, ist unklar. Das Eissegeln ist heute in den kalten Gebieten der nördlichen Hemisphäre verbreitet, in den Anfängen war der Sport auf die Niederlande begrenzt und wurde dort nur von entsprechend begüterten Familien ausgeübt. Aus den kleinen Schuitjes wurden bald auch größere „Yachten“ mit denen die Pfeffersäcke sich im Winter die Zeit vertrieben. Neben den Eisseglern gab es zeitgleich ein weiteres kurioses Segelfahrzeug in den Niederlanden, aber das ist ein anderes Projekt…

Das „mittelalterliche“ Beiboot

Über die korrekte Datierung des Bötchens kann ich nicht wirklich urteilen. Es scheint mir jedoch in viele Epochen zu passen, im mediterranen Raum vielleicht noch bis in unsere Zeit. Der Bausatz von Zvezda ist gut geraten. Das acht Zentimeter lange Boot wird aus 29 zum Teil sehr filigranen Teilen zusammengebaut. Mit dabei sind ein (Genever-?) Fässchen, ein Ösfass, die acht Riemen, Klampen, das Ruder, ein Bootshaken, Mast und Rah.

Das hübsche Bötchen ist auch für andere Projekte zu empfehlen und wird auch schon reichlich genutzt, wie man auf Ausstellungen sehen kann.

Der Umbau zum Ysschuitje

Die Bemalung ist weitgehend optional, „Captains fancy“ eben. Den fertigen Rumpf habe ich erdfarben grundiert, mit zwei, drei weiteren Brauntönen lasiert und die oberen Plankengänge farbig gefasst, das Setzbord in gelb, das achterne Lehnbrett weiß. Der Rumpf des Bootes wurde nach Plan zusammengebaut, lediglich zwei Duchten wurden entfernt, um Platz zu schaffen für die fetten Pfeffersäcke.

Der wichtigste Um- bzw. Anbau ist die Vorrichtung für die Kufen. Im Grunde nur eine schwere Holzbohle, die im Modell mit einer der beiliegenden Bootsklampen rechtwinklig zum Kiel an diesem befestigt wurde. Diese Bohle hatte zwei wichtige Aufgaben, erstens die Aufnahme der Kufen an den äußeren Enden und zweitens die Befestigung und Spreizung der beiden Wanten.

Auf beiden Seiten dieser „Kufenplanke“ befestigte ich eine Jungfer mit Draht, eine sehr haltbare Verbindung. Die Kufen baute ich erst ziemlich zum Schluss an, waren sie mir doch etwas zu dünn… Am Achtersteven musste ich eine kleine Leiste aufdoppeln, damit die Schuitje später auf ebenem Kiel steht. In den Bootsboden und in die Bordwänden baute ich noch Ösen und Klampen als Belegpunkte ein.

Die Takelage fertigte ich komplett neu. In dieser Größe sind die Plastikspieren nicht geeignet, ihre Längen passten ohnehin nicht. So drehte ich Raminstäbe für den Mast, den Bugspriet, den Baum und die kurze Gaffel in der Bohrmaschine auf die gewünschten Durchmesser und Längen, fügte die Klauen an Baum und Gaffel hinzu und imitierte die Eisenbänder an den Spieren mit schwarzen Kartonstreifen. Der Flaggstock im Masttopp entstand aus einer Stecknadel mit kleinem Kopf. Manche Jachten fuhren auch an der Gaffelpiek eine kleine Fahne.

Die beiden Segel, Fock- und Großsegel, entstanden wieder aus bewährtem Japanpapier. In diesem Maßstab ist es etwas aufwändiger, die Segel herzustellen, aber immer noch viel einfacher als aus Stoff. Denn auch hier gilt, in dieser Verkleinerung ist eine Stoffstruktur nicht mit bloßem Auge sichtbar. Ein Segel aus Stoff wäre viel zu stark strukturiert. Aber auch dies wird gern und viel diskutiert. So zeichnete ich zunächst die Kleiderbahnen mit doppelten(!) Stichreihen auf einen Bogen Papier, zeichnete dann den Segelschnitt mit etwas Zugabe auf und schnitt die Umrisse aus. Der nächste Schritt war das Aufkleben der Segelsäume, der Eckdopplungen, des Reffbandes und der Lieke. Nachdem die Leimungen getrocknet waren, konnte ich die Gatchen (Löcher) für die Segelbefestigung durchstechen. An der kurzen Gaffel ist das Segel mit Marlschlag gebunden, am Mast mit einer einfachen Reihleine. Die Takelung der Ysschuitje ist insgesamt recht einfach gehalten, allein, damit nicht viel Personal benötigt wird. Das Focksegel oder Fockstag ist auch mit einer Reihleine an dem einzigen Stagtau befestigt, so ist für beide Segel ein leichtes Auf- und Niederholen gewährleistet. Diese Informationen sind alle in dem mir vorliegenden Bild enthalten. Die Takelung besteht somit nur aus Fallen, Niederholern, Schoten, Halsen, der Gaffeldirk, Piekfall und zwei Stagen und zwei Wanten. Ob die Schuitje noch einen Klüver fuhr, ist unklar, auf der Zeichnung ist keiner zu sehen.

Die kleine Fahne malte ich auf sehr dünnem Seidenpapier auf, dabei zog ich nur die inneren Linien gerade und schnitt die Fahne dann passend aus.

Zum Schluss kamen die Kufen dran. Diese konnte ich aus den Resten eines Messingätzteilbogens mit einer Nagelschere einfach ausschneiden. Es waren zwar mehrere Versuche nötig, aber das Endergebnis ist in Ordnung. Mit dem Anbau der Kufen war das Bötchen fertig.

Das Diorama

Die Idee, das gesamte Sujet nachzubauen, war nicht sofort da, sondern wuchs Stück um Stück. Nach Durchsicht meines Figurenfundus reifte der Entschluss, nicht nur die Bootsbesatzung einzusetzen, sondern auch zumindest einen Teil der Menschen auf der Zeichnung darzustellen: Im Vordergrund sind Vater und Sohn dabei ein Loch in das Eis zu schlagen, um darin zu angeln. Im hinteren Bildmittelgrund läuft ein weiterer Angler auf Schlittschuhen mit geschulteter Rute zu seinem Angelplatz. Damit wäre die Szenerie zwar nicht vollständig, aber doch schon recht voll. Aber der Dude meinte, jemand sollte dabei sein eben die Kuh vom Eis zu holen… gesagt, getan. Als Figuren kamen Produkte von Revell (Schwedische Infanterie) und Siedler oder Pilgrims von Imex zur Verwendung. Ein Angler bekam Schlittschuhe aus Draht, die anderen zumindest noch einen warmen Schal.

Die Dioramaplatte selbst war denkbar einfach. Ein Holzbrett mit profilierter Kante wurde mehrfach schwarz gestrichen, fein geschliffen und dann mit einer 2 mm starken Bastlerglasplatte (Acryl) beklebt. In einer Ecke baute ich einen kleinen Deichfuß ein, mit Backsteinen an der Uferkante, nach hinten mit einem Holzrahmen gesichert. Diese Ecke füllte ich grob mit Styrofoam auf, belegte diesen mit weißleimgetränktem Klopapier und gestaltete mit AK-Microballoons, Terrain-Snow und bräunlichem Gras den winterlichen Deich. Vor dem Deich stecken zwei Dalben im Eis.

Das Eis selbst war ein Experiment. Auf einem Abschnitt probierte ich verschiedenste Mittel aus, um Kratzer, Luftblasen, Fische unterm Eis etc. darzustellen. Der verwendete Klebstoff für die Acrylplatte erzeugte von selbst ganz feine, fast milchige Bläschen; auf Tropfen mit Plastikkleber schüttete ich Microballoon und verwischte sie wieder. Um die Kratzspuren der Ysschuitje zu imitieren, baute ich eine Schablone mit drei Stecknadeln und kratzte damit über die Platte, am Ende der Kratzspur stelle ich dann die Schuitje auf. Diese ist bemannt mit einem Maat und einem älteren Paar, das die schnelle Reise auf der Heckducht genießt. An Bord steht eine Picknick-Kiste, ein Fass und ein großer Schnapskrug. Dies war der erste Versuch, eine Zeichnung oder ein Gemälde dreidimensional nachzuempfinden. Weitere werden folgen, Ideen und Vorlagen habe ich in der reichhaltigen Marinebibliothek genug...

Quellen

Frank Brüninghaus
Modellbauclub Koblenz